Meinung

Die woken Deutschen bei der Fußball-WM ärgerten nicht nur das superkonservative Katar

Die LGBTQ-Botschaften, mit denen eine gewisse Mannschaft in das Turnier eingestiegen ist, waren nicht das, worauf sich die Zuschauer und Sportfans gefreut hatten.
Die woken Deutschen bei der Fußball-WM ärgerten nicht nur das superkonservative KatarQuelle: AP © Matthias Schrader

Von Robert Bridge

Während die deutschen Fans noch damit hadern, sich mit der "absoluten Katastrophe" ihrer Mannschaft abzufinden, die bereits bei der zweiten Weltmeisterschaft in Folge aus der Vorrunde geflogen ist, machen Beobachter den Fokus des deutschen Teams auf LGBTQ-Themen als jene große Ablenkung verantwortlich, die zu dieser Schmach geführt hat.

Im vergangenen Monat flog Deutschlands Fußball-Kraftpaket auf glorreichen Flügeln nach Katar, und zwar in einem extra gecharterten Flugzeug der Lufthansa ["Fanhansa", so die Beschriftung – Anm. d. Red.], das mit dem Slogan "Diversity Wins." ["Vielfalt gewinnt." – Anm. d. Red.] verziert war und somit den Ton vorgab, für eine Reise, die eher einer belehrenden Vortragsreise glich als einer Reise zu einer internationalen Sportveranstaltung.

Nachdem man auf arabischem Boden angekommen war, begaben sich die Fußballer von Team Germany in ihrem Gastgeberland Katar, das homosexuelles Verhalten unter Strafe stellt, umgehend in den Dissens gegen die lokalen Gepflogenheiten, indem sie forderten, eine Kapitänsarmbinde mit der Aufschrift "One Love", zur Unterstützung der Rechte von Homosexuellen, aufs Spielfeld führen zu dürfen. Als die FIFA diese Forderung ablehnte, legte jeder Spieler der deutschen Mannschaft beim offiziellen Gruppenfoto eine Hand auf den eigenen Mund – als "Akt der stillen Rebellion".

Aber genauso umgehend, wie sie mit ihrer Botschaft über Toleranz in Katar landeten, packten sie nach einer demütigenden frühen Niederlage bereits ihre Koffer und flogen nach Hause. Sie wurden auf dem Fußballplatz geschlagen, fair und sportlich, nicht in einem Kulturkampf. Gelegentlichen Beobachtern vom Rande des Geschehens sei verziehen, falls sie vergessen haben sollten, dass das Kernthema der FIFA-Fußballweltmeisterschaft Fußball ist und der Hauptberuf des deutschen Fußballspielers Fußballspielen ist – und nicht gegen die Kultur der Gastgeber zu treten. Einige Beobachter, wie der frühere russische Nationaltrainer Waleri Gassajew, argumentierten sogar, dass die Deutschen verloren hätten, weil sie sich mehr auf das Predigen als auf das Spielen konzentrierten.

"Deutschland stand bei großen internationalen Turnieren schon immer auf der Favoritenliste, sei es bei der Europameisterschaft oder der Weltmeisterschaft", sagte Gassajew in einem vernichtenden Interview mit einer Fachzeitschrift. "Zusammenfassend entstand bei dieser WM der Eindruck, dass die deutsche Nationalmannschaft bei der WM 2022 mehr Zeit für LGBT-Themen aufgewendet hat, als für Fußball."

Ob das tatsächlich ein Grund für Deutschlands Niederlage war, bleibt umstritten. Aber eines steht außer Zweifel: Viele Menschen wurden von diesen politischen Botschaften bei einem Sportereignis abgeschreckt. Das zeigen allein die vielen Twitter-Nutzer, die ihre Freude darüber nicht verbergen konnten, dass die moralinsauren Deutschen aus dem Turnier geflogen sind. In der Zwischenzeit zeigten sogar die katarischen Sportmoderatoren offen ihre Verärgerung über die deutsche Mannschaft, indem man sie öffentlich verspottete, nachdem sie das Turnier vorzeitig verlassen musste und man ihr mit der Hand vor dem Mund zum Abschied zuwinkte.

Zuvor hatte auch FIFA-Präsident Gianni Infantino angesichts der eigentümlichen Geschichte der Unterdrückung und der Verbrechen in Europa, insbesondere im Zusammenhang mit dem Kolonialismus, eine heftige Kritik am westlichen Moralkreuzzug geäußert, der Richtung Katar gezogen war.

"Gemessen an dem, was wir Europäer in den letzten 3.000 Jahren getan haben, sollten wir uns für die nächsten 3.000 Jahre entschuldigen, bevor wir beginnen, anderen moralische Lektionen zu erteilen", sagte Infantino zum Entsetzen seiner westlichen Zuhörer. "Reformen und Wandel brauchen Zeit. Es dauerte Hunderte von Jahren in unseren Ländern in Europa. Es braucht überall Zeit, der einzige Weg, Ergebnisse zu erzielen, ist durch Engagement – nicht durch Geschrei."

Der deutsche Fußball scheint nur die letzte in einer Reihe von Niederlagen für die Kämpfer für soziale Gerechtigkeit zu sein, deren Botschaften bei vielen Menschen nicht mehr ankommen. Und das nicht unbedingt, weil die Menschen alternative Lebensstile nicht tolerieren, sondern weil sie es einfach ablehnen, auf Schritt und Tritt belehrt zu werden. Viele Menschen besuchen Sportveranstaltungen gerade deshalb, weil sie der Welt der Politik entfliehen und nicht in sie eintauchen wollen. Das ist etwas, was viele große Konzerne, darunter auch Hollywood, gerade erst zu verstehen beginnen.

Man denke zum Beispiel an die Fluggesellschaft Virgin Atlantic Airways. Im September kündigte das Unternehmen eine neue geschlechtsneutrale Richtlinie an, die es Flugbegleitern und Piloten ermöglicht, die Uniform ihrer Wahl "unabhängig von Geschlecht, Geschlechtsidentität oder Geschlechtsausdruck" zu tragen. Dies löste eine heftige Gegenreaktion aus, mit Aufrufen, die Fluggesellschaft zu boykottieren. Zufälligerweise setzte Virgin die Richtlinie für genau den Flug aus, der das englische Team nach Katar brachte.

Gillette ist eine weitere internationale Marke, die ihre Kunden mit Predigten über strittige Themen vor den Kopf gestoßen hat. Anstatt sich auf den Verkauf von Rasierklingen und Rasierschaum zu konzentrieren, beschloss Gillette, einen großen Teil seiner Klientel zu beleidigen, indem es allen Männern pauschal eine "toxische Männlichkeit" unterstellte.

Sprite, das kohlensäurehaltige Getränk, unterstützte derweil die Transgender-Bewegung in einer Anzeige, in der eine Mutter zu sehen ist, wie sie die aufkeimenden Brüste ihrer jungen Tochter flachbindet, um sie "jungenhafter" erscheinen zu lassen, während eine andere verwirrte Mutter ihrem Sohn dabei hilft, sich zu schminken, bevor er in den Abendausgang geht, um seinen Freund zu treffen.

Offensichtlich sind es nicht nur die äußerst konservativen Einwohner Katars, die von diesen unsäglichen Lektionen über Wokeness angewidert sind. Auch viele Menschen im Westen stehen dem mit äußerst gemischten Gefühlen gegenüber und möchten nicht, dass ihre Kinder täglich diesen umstrittenen Botschaften – insbesondere jener sexuellen Natur – ausgesetzt werden.

Was ist die Moral der Geschichte? Dass die Menschen in Katar und im Westen anscheinend mehr gemeinsam haben, als wir vielleicht zunächst glauben wollten? Dass niemand es mag, ständig einer Predigt unterzogen zu werden, insbesondere nicht von Menschen, denen eine echte moralische Autorität fehlt? Dass Unternehmen, Organisationen und die Welt des Sports bei dem bleiben sollten, was sie am besten können, und das Moralisieren den Predigern und Propheten an den Straßenecken der Großstädte überlassen?

Ich vermute, es ist eine Mischung von all dem oben Genannten.

Übersetzt aus dem Englischen.

Robert Bridge ist ein US-amerikanischer Schriftsteller und Journalist. Er ist Autor von "Midnight in the American Empire ­‒ Wie Konzerne und ihre politischen Diener den amerikanischen Traum zerstören". Er twittert unter @Robert_Bridge.

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