Wirtschaft

Deutschlands Krisen-Verarmungspolitik: Wachsende Exportüberschüsse – aber sinkende Binnenkaufkraft

Deutschland begegnet der selbst mitverschuldeten Wirtschaftskrise gewohnt imperialistisch und neoliberal. Die Verlierer sind die eigene Bevölkerung und ökonomisch schwächere Staaten. Das zeigen neue Daten des Statistischen Bundesamtes.
Deutschlands Krisen-Verarmungspolitik: Wachsende Exportüberschüsse – aber sinkende BinnenkaufkraftQuelle: www.globallookpress.com © Marcus Brandt/dpa

Von Susan Bonath

Hohe Preise für grundlegende Bedürfnisse zehren an den Geldbeuteln der deutschen Bevölkerung. Was insbesondere die Ärmeren in Deutschland seit vielen Monaten existenziell spüren, untermauern auch die großen Zahlen. Neuen Daten des Statistischen Bundesamtes zufolge brachen im August sowohl die Warenausfuhren (Exporte) als auch die Einfuhren (Importe) weiter ein, Letztere sogar deutlich stärker.

Trotz der Krise und des allgemeinen Rückgangs des Handelsvolumens stieg der Exportüberschuss nach einem kleineren Einbruch wieder auf das Niveau von vor dem Krieg in der Ukraine an. In diesem Jahr könnte die Differenz bereits die Größenordnung von 2019 erreichen. Dies ist ein deutliches Zeichen für eine sinkende Binnennachfrage. Offenbar setzt die Politik weiterhin auf die Verarmung der eigenen Bevölkerung, um andererseits wirtschaftlich schwächere Länder in die Verschuldung zu treiben.

Exportüberschüsse zulasten der Bevölkerung

Laut Mitteilung der deutschen Statistikbehörde sank der Wert des deutschen Exportvolumens im August um 1,2 Prozent gegenüber dem Vormonat Juli. Im Vergleich zum August 2022 verzeichneten die Statistiker einen Rückgang der Exporte um 5,8 Prozent. Das gesamte bereinigte Exportvolumen gab die Behörde mit knapp 128 Milliarden Euro an.

Die Importe nach Deutschland schrumpften noch stärker. Gegenüber dem Vormonat betrug der Rückgang zwar nur 0,4 Prozent, im Vergleich zum August des vergangenen Jahres brach das Volumen aber um fast 17 Prozent ein. Den Gesamtwert der eingeführten Waren gab die Behörde mit gut 111 Milliarden Euro an.

Hauptgrund für diesen Rückgang ist die Sanktionspolitik gegenüber Russland. Laut Statistikern ging der Export mit dem Riesenland binnen Jahresfrist um gut 36 Prozent zurück, der Import sogar um fast 94 Prozent. Das fügt sowohl privaten Haushalten als auch der deutschen Wirtschaft enorme Folgeschäden zu.

Der deutsche Exportüberschuss lag somit allein im August bei rund 17 Milliarden Euro. Hochgerechnet könnte dieser für das Gesamtjahr 2023 auf über 200 Milliarden Euro ansteigen. Zum Vergleich: 2018 hatte Deutschland einen Überschuss von 228 Milliarden verzeichnet, ein Jahr später von 224 Milliarden Euro. Im Zuge der Corona-Maßnahmen ging dieser leicht auf rund 180 Milliarden Euro zurück, vergangenes Jahr schrumpfte der Exportüberschuss auf 82 Milliarden Euro.

Verarmung mit Ansage

Diese Entwicklung kommt nicht unerwartet. Sie spiegelt vielmehr die imperialistische Wirtschaftspolitik Deutschlands seit der Jahrtausendwende wider. Diese setzte gezielt auf Profitmaximierung durch Exportüberschüsse, sowohl zulasten der Binnennachfrage als auch der schwächeren Länder, deren Wirtschaft dadurch zwangsläufig höhere Ausgaben für Importe als Einnahmen verbuchen muss.

Ein wichtiger Motor dafür war die Agenda 2010, auch genannt Hartz-Gesetze. Unter der Schröder-Regierung war diese ab 2003 schrittweise eingeführt worden. Durch massiven Sozialabbau und strenge Repressionen gegen Erwerbslose konnte ein riesiger Niedriglohnsektor in Deutschland aufgebaut werden. Dieses Ziel hatte der damalige SPD-Bundeskanzler Gerhard Schröder damals freimütig eingeräumt.

Die Absicht dahinter entsprang den neoliberalen Doktrinen: Die deutsche Wirtschaft sollte den europäischen und Weltmarkt mit billigen Waren überschwemmen, um durch Masse ihre Profitraten zu steigern. So sollte sie sich trotz der ihr zunehmend zusetzenden Kapitalverwertungskrisen konsolidieren – auf Kosten der eigenen Bevölkerung. Dafür musste der Wert der Ware Arbeitskraft gesenkt werden.

Dies geschieht gemeinhin durch Lohndrückerei. So deregulierte die damalige rot-grüne Regierung unter großem Beifall der CDU, CSU und FDP den Arbeitsmarkt. Sie weichte Arbeitnehmerrechte auf, ermöglichte in großem Stil Leiharbeit und prekäre Beschäftigungsverhältnisse.

Um Lohnabhängige in den Niedriglohnsektor hineinzuzwingen, integrierten die Macher der Hartz-Gesetze die einstige Versicherungsleistung Arbeitslosenhilfe in die Sozialhilfe. Erwerbslose rutschten fortan nach einem Jahr auf das Existenzminimum. Zusätzlich sanktionierte der Staat fortan jede Weigerung, vom Amt angebotene schlecht bezahlte Arbeit anzunehmen, mit harten Sanktionen bis zu 100 Prozent.

In der Folge wächst seither die Armutsquote in Deutschland kontinuierlich. Fehlende Kaufkraft lässt die Binnennachfrage sinken. Stattdessen setzen die Unternehmen, politisch gestützt, vermehrt auf Profite durch den Export ihrer Waren. Die Verarmung von Millionen Menschen in Deutschland erfolgte ganz bewusst und mit deutlicher Ansage unter dem Titel "Agenda 2010".

Lohndumping-Paradies Ostdeutschland

Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) kritisiert seit vielen Jahren erfolglos die Politik der Exportüberschüsse zulasten der Bevölkerung. Schon vor Jahren forderte der Verband immer wieder, die Binnennachfrage zu stärken. Er mahnte zum Beispiel eindringlich, dafür das Lohnniveau spürbar anzuheben und den Niedriglohnsektor einzudämmen.

Doch gerade die Etablierung von Niedriglöhnen war schließlich das Hauptziel der neoliberalen Umgestalter. Erwartbar verhallten die Forderungen der weitgehend staatstragend zurechtgestutzten SPD-Gewerkschaften, und ein Erfolg blieb aus. Lediglich minimal schrumpfte die Zahl der Dumpingjobs in Deutschland zuletzt.

Wie das Handelsblatt Ende September berichtete, schuftet noch immer jeder sechste Vollzeitbeschäftigte in der Bundesrepublik für einen Hungerlohn. Betroffen sind demnach vor allem Ostdeutsche, Frauen und Migranten. Besonders steche hier die Gastronomie hervor. Das Blatt berief sich auf eine Antwort der Bundesregierung auf Anfrage der Linksfraktion.

In Ostdeutschland ist das Lohnniveau auch 33 Jahre nach der sogenannten Wiedervereinigung besonders niedrig. Laut der Tagesschau arbeitet dort jeder fünfte Beschäftigte für weniger als 13 Euro pro Stunde. In Brandenburg bekommen sogar 28 Prozent der Arbeiter weniger als 1.172 Euro netto im Monat, wie der rbb berichtete. Allein letztes Jahr sei dort der Reallohn um insgesamt 3,3 Prozent gegenüber dem Vorjahr gesunken. Kein Wunder, dass es Weltkonzerne vermehrt ins Lohndumping-Paradies Ostdeutschland zieht, wie der WDR herausgefunden hat. 

Superreiche profitierten in der Krise

Nichts zu befürchten haben indes die Superreichen. Im Gegenteil: Ihr Geld vermehrt sich weiterhin ganz ohne eigenes Zutun. Auch von der Krise hat diese Klientel prächtig profitiert, anders als der große Rest der Bevölkerung. Laut Manager-Magazin wuchs das Buchvermögen der 500 reichsten Menschen in Deutschland seit 2022 insgesamt um 82 Milliarden auf fast 1,1 Billionen Euro an. 

Die Zahl der Milliardäre stieg derweil von 212 auf 226. Ganz oben auf der Liste stehen die Quandt-Erben und Großaktionäre Susanne Klatten und Stefan Quandt. Ihr Vermögen wird derzeit auf 40,5 Milliarden Euro geschätzt. Platz zwei belegte Lidl-Gründer Dieter Schwarz, gefolgt von Vertretern der Chemie- und Pharmadynastie Merck. Die Zuwächse an Privatvermögen entsprächen in etwa der Inflationsrate, heißt es.

Das mag wie Hohn klingen für all die vielen Verkäufer, Paketfahrer oder aufstockenden Minijobber, die nicht mehr wissen, wie sie die gestiegenen Energie- und Lebensmittelkosten bezahlen sollen. Doch das ist der Preis der neoliberalen Politik: Greift sie nicht ein, spült der Markt das Geld von ganz allein nach ganz oben. Dann sprudeln die Exporte, und die ausgebeutete Bevölkerung verarmt.

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