Meinung

Venezolanisches Gold: Wie unabhängig ist die Bank of England wirklich?

Piraten müssen nicht wie Johnny Depp im Film "Fluch der Karibik" aussehen. Sie können statt der Totenkopfflagge den Union Jack hissen. Sie können eher als Bank of England denn als Jolly Roger daher kommen. Ein kritischer Blick auf die Bank of England.
Venezolanisches Gold: Wie unabhängig ist die Bank of England wirklich?Quelle: AFP

von George Galloway

Die "Old Lady of Threadneedle Street", wie man die Bank of England schon ewig liebevoll umschreibt, ist in einer stürmischen Welt ein Hafen für alle möglichen Länder, in dem diese das Vermögen ihres Staates anlegen können. Und das nicht einmal unbedingt freiwillig. Nach dem Zusammenbruch des kommunistischen Regimes in Albanien war ich kurzzeitig als Mitvorsitzender der Britain-Albania Society mit dem Tory-Abgeordneten Steve Norris tätig. Er und ich mussten Berge versetzen, um zu versuchen, die britische Regierung (die damals die Bank of England vollständig kontrollierte) davon zu überzeugen, den Albanern ihr Gold zurückzugeben, das von den Briten während des Zweiten Weltkriegs konfisziert worden war.

Der Raub der Woche fand – von keinem Kommentator bemerkt, den ich gelesen habe – in einer Zeit statt, in der die Bank of England offiziell unabhängig von der Regierungskontrolle ist. Und doch wurde er durch einen Anruf eines ausländischen Regierungsbeamten ausgelöst.

Die Entscheidung der Bank, Gold im Wert von mehr als einer Milliarde Dollar zu beschlagnahmen – ein höfliches Wort für Stehlen -, wurde Berichten zufolge von ihrem Gouverneur nach einem Anruf des US-Beraters für nationale Sicherheit, John Bolton, und des Außenministers Mike Pompeo angeordnet – also nicht einmal vom Präsidenten selbst.

Wenn ich Recht habe, dann wurde diese Entscheidung, die Sicherheit der Einlagen bei der Bank of England zu beschädigen (hoffentlich irreparabel), von einem nicht gewählten, nicht rechenschaftspflichtigen kanadischen Bürger getroffen (der erst im November die britische Staatsbürgerschaft erhielt). Heute ist er noch da, aber schon morgen ist er als Gouverneur der Bank of England wieder weg. Die Außenpolitik des Staates – um dessen Bank es geht – wurde also zumindest von Bolton, einem kleinen Beamten eines fremden Landes, antizipiert, wenn nicht sogar an sich gerissen. War es das, was die Tory-Brexit-Champions im Sinn hatten, als sie sich dafür einsetzten, dass Großbritannien die "Kontrolle wiedererlangt"?

Natürlich wird der Gouverneur, Mark Carney, gewusst haben, dass Bolton auf eine geöffnete Banktresortür gestoßen ist und dass Großbritannien nicht unabhängiger von den Vereinigten Staaten ist als die Bank of England von der britischen Regierung.

Darüber hinaus konnte kein karibisches Krokodil Tränen vergießen, die unaufrichtiger sind als die, die derzeit von britischen Politikern für das "arme leidende Volk" Venezuelas vergossen werden. Denn welches Monster könnte eine Milliarde Dollar von "armen und leidenden Menschen" beschlagnahmen?!

In rund 72 Stunden wurde der venezolanische Präsident Nicolás Maduro in der vergangenen Woche von einem Staatschef, von dem kaum jemand in Großbritannien je etwas gehört hatte, zu einem neuen "Hitler vom Nil" stilisiert.

Diese Bezeichnung wurde in Großbritannien in der Nachkriegszeit erstmals auf den früheren ägyptischen Präsidenten Nasser angewandt, als dieser den Suezkanal verstaatlichte. Für das Imperium war dies leider sehr bedauerlich, weil der Kanal sich tatsächlich in Ägypten befindet – also dem Land, dessen Präsident er war. Schließlich, um Donald Rumsfeld zu paraphrasieren, war es nicht die Schuld Großbritanniens, dass Gott die Kanäle Großbritanniens in die Länder anderer Menschen legte.

Und seitdem gab es viele, die mit ähnlichen Bezeichnungen bedacht wurden: Yassir Arafat, Muammar Gaddafi, Bashar al-Assad, Slobodan Milošević, Wladimir Putin und einige mehr.

Der Wandel war erstaunlich, auch für mich, der seit 50 Jahren in der Politik tätig ist.

Alle sorgfältig gepflegten Gärten von NGOs, "unabhängigen Journalisten" und Experten wurden mit ihren lang gehegten Erzählungen über die Perfidie der Chavez-Revolution in Venezuela überflutet. Sie litten jedoch allgemein unter zwei Nachteilen: Keiner von ihnen konnte den Namen des Mannes von den Straße Caracas' aussprechen, dessen selbsternannte Präsidentschaft sie anerkannten. Und keiner von ihnen schien zu wissen, dass die USA eine mittelalterliche Belagerung Venezuelas mit Sanktionen, Sabotage und Subversionen verhängt hatten. Zumindest hat es keiner von ihnen erwähnt.

Keiner von ihnen, wie bei jeder anderen ausländischen Regime-Change-Operation, die sie vorangetrieben hatten, hatte die geringste Ahnung davon, was in Venezuela passieren würde, wenn sie erfolgreich wären, nicht zuletzt, wie viele Millionen bewaffnete Chavez-Anhänger ihre Regierung unterstützen könnten, die von Ausländern gestürzt werden soll. Es ist schwer herauszufinden, ob diese Journalisten und Politiker, die einen Bürgerkrieg auf den größten Ölfeldern der Welt fordern, kriminell und geistesgestört sind, ob sie nur Kriminelle sind oder ob sie sich auf eine verminderte Schuldfähigkeit berufen können, weil sie nicht genau wussten, was in Afghanistan, Irak, Jemen, Syrien, der Ukraine usw. bereits geschehen war.

Die Dämonisierung Venezuelas, auch seitens der westlichen Ländern, die selbst kaum funktionierende Regierungen haben, glich einer Flutwelle. Die kläglichen Ressourcen, die Venezuela in die Solidaritätsarbeit in Großbritannien investiert hat – oder wenn sie etwas investiert haben, kann niemand erklären, wohin es gegangen ist –, spiegeln sich in der völligen Weigerung der venezolanischen Solidaritätskampagne wider, jemanden für meine RT-Show Sputnik letzte Woche zu stellen, was mich an die Kuba-Solidaritätskampagne nebenan erinnert.

Sie wiederum schlugen den Engländer vor, der sich als geschickter Redakteur der britischen Zeitung Morning Star herausgestellt hat. Selten hat sich ein großes und wichtiges ölreiches Land – anfällig für westliche Invasionen, wie es sich vorhersehbar herausgestellt hat – weniger Mühe gemacht, Freunde zu gewinnen.

Die Ereignisse vor Ort in Venezuela werden darüber entscheiden, was als nächstes geschieht. Meiner Meinung nach werden viele Entermesser blinken und schlitzen, bevor das Ganze vorbei ist. Und genau wie in allen anderen Fällen, auf die ich Bezug genommen habe, wird sich das Ergebnis als das Gegenteil von dem erweisen, was sich die gemieteten Handlanger des Imperiums jetzt vorstellen.

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