Meinung

X, Politik und Drogen: Was steckt hinter dem jüngsten Angriff auf Elon Musk?

Bei den Angriffen auf den Tech-Milliardär Elon Musk, von dem bekannt ist, dass er kein Blatt vor den Mund nimmt, geht es nicht wirklich um Musk. Vielmehr spiegeln sie das wider, was gleichzeitig das Wesen der USA ausmacht und ihr schlimmstes und möglicherweise fatales Problem ist.
X, Politik und Drogen: Was steckt hinter dem jüngsten Angriff auf Elon Musk?Quelle: www.globallookpress.com © Francesco Fotia / Avalon

Von Tarik Cyril Amar

Der milliardenschwere Technologieunternehmer, der Weltraumvisionär und nun auch reichste Mann der Welt Elon Musk mag in einer Reihe von Dingen falsch liegen. Aber er selbst und viele Beobachter haben sicherlich in einer Sache recht: ein aktueller Artikel im Wall Street Journal, in dem Vorwürfe über seinen angeblichen Drogenkonsum detailliert beschrieben werden, war ein Schlag unter die Gürtellinie.

Ein klares Indiz dafür waren die erstaunlich schwachen Quellen, wie das konservativ ausgerichtete Medienunternehmen Rasmussen Reports richtig festgestellt hat. Das Wall Street Journal, eine der maßgeblichsten Zeitungen in den USA, hat sich auf etwas eingelassen, was man nur als eine Anhäufung von Gerüchten bezeichnen kann. Ziemlich bombastisch, aber innen hohl.

Ein weiterer Hinweis dafür ist, dass die in ermüdender wie erstaunlicher Länge vorgebrachten Anschuldigungen eigentlich nicht neu sind. Ähnliche Behauptungen wurden bereits früher aufgestellt, zum Beispiel in einem weniger unverblümten, wenn auch immer noch hinterhältigen Artikel im New Yorker von dem gelegentlich kontroversen Journalisten und Favoriten der Zentristen Ronan Farrow – der auch im Zuge der "Me-too"-Bewegung bekannt wurde.

Die Reaktion von Musk darauf war dreifach. Erst hat er verbal heftig gegen das Wall Street Journal ausgeteilt und es dafür kritisiert, sich mit dem Artikel über ihn im Grunde auf das Niveau der Boulevardpresse begeben zu haben. Da hat er nicht Unrecht. Darüber hinaus haben er und sein Anwalt Alex Spiro einerseits die Vorwürfe als "unwahr" zurückgewiesen. Drittens argumentierte Musk, dass der Einsatz von gewissen Substanzen grundsätzlich sinnvoll sei, wenn sie die Produktivität steigern würden. Unter Erwachsenen sollte diese Botschaft ziemlich klar sein. Musk verteidigt sich juristisch – denn Aktienwerte, Verträge und Sicherheitsfreigaben könnten auf dem Spiel stehen – und signalisiert gleichzeitig, dass bestimmte Drogen, die er möglicherweise zu sich nimmt, im Übrigen niemanden etwas angehen.

So weit, so erwartbar. Man kann der Position des Milliardärs zu seinem eigenen Konsum (oder Nichtkonsum) verschiedener Substanzen – darunter LSD und psychedelische Pilze – zustimmen oder auch nicht. Das ist hier aber nicht das Interessanteste an der Sache. Die spannendere Frage ist, was hinter dem jüngsten Angriff auf Musk steckt und warum er ausgerechnet zum jetzigen Zeitpunkt stattfand.

Der Artikel im Wall Street Journal selbst weist schon im ersten Satz darauf hin, worum es in Wirklichkeit geht, indem auch auf die "konträren Ansichten, ungefilterten Reden und provokativen Possen" des Tycoons Bezug genommen wird. Hoppla, es scheint, als wäre da jemand ein böser Junge gewesen. Aber andererseits kommen viele böse Jungs – und auch Mädchen – trotz viel Schlimmerem ungeschoren davon. Man denke beispielsweise nur an Hunter "Laptop" Biden. Was also ist das Besondere im Fall von Elon Musk?

Musk hat viele Fans. Sein Geschäftssinn, sein Einfallsreichtum und seine pure Hartnäckigkeit – im positiven Sinne – sind etwas Außergewöhnliches. Er hat auch – im Guten wie im Schlechten – ein echtes, wenn auch eigenartiges Charisma. Ich selbst bin allerdings keiner seiner Fans. Erstens bin ich mit der wohl schlimmsten Entscheidung seines Lebens überhaupt nicht einverstanden, nämlich Israel einen PR-Besuch abzustatten, während es einen Völkermord an den Palästinensern im Gazastreifen begeht. Ich sehe auch äußerst beunruhigende Wiederholungsmuster bei der Entfernung kritischer Stimmen von der Social-Media-Plattform X (ehemals Twitter), über die er jetzt die Kontrolle hat. Tendenziell schlägt mein Herz links, weshalb Hyperreiche, rechte Libertäre mit einer hervorragenden Erfolgsgeschichte im Kampf gegen Gewerkschaften, einfach nicht mein Ding sind.

Dennoch bedarf es einer gesunden Skepsis gegenüber denen, die Musk eins auswischen wollen, wenn man sich fragt, welche denn diese "konträren Ansichten" sind. Unter den häufigen Äußerungen von Musk fallen mir mehrere wichtige Dinge ein. Sie alle haben eines gemeinsam und fallen in zwei Hauptkategorien. Es geht stets um Politik – einige der Äußerungen betreffen die Innenpolitik der USA, während andere die Geopolitik berühren.

Schauen wir uns zunächst die Geopolitik an. In den vergangenen zwei Jahren hat sich Musk über zwei Staaten geäußert, die im Mittelpunkt der globalen Strategie der USA stehen: Über Taiwan und über die Ukraine. In beiden Fällen wurde er dafür verunglimpft, und ihm wurden zwei Dinge vorgeworfen: Er handle im Widerspruch zu den Interessen der USA – das heißt, so wie die Washingtoner Blase sie missversteht – und dass er mit dem jeweiligen Thema überfordert sei. In Bezug auf die Ukraine brachte er seine eigenen Vorschläge ein, wie dieser sich bereits länger hinziehende Krieg beendet werden könne. In Bezug auf Taiwan wies er auf Tatsachen hin, die dazu beitragen könnten, einen weiteren Konflikt in der westpazifischen Region zu vermeiden.

Die Ironie besteht darin, dass inzwischen im Hinblick auf den Krieg in der Ukraine ein zentraler Punkt der Position von Musk im Herbst 2022 vielleicht noch nicht zum Mainstream, aber doch zumindest akzeptabel geworden ist. Denn damals wurde Musk scharf verurteilt, weil er argumentierte, dass Russland die Krim behalten und die Ukraine sich für eine Neutralität entscheiden solle. Heute – nach einer vorhersehbar gescheiterten ukrainischen Gegenoffensive und vielen Toten und Verletzten – ist sogar ein ehemaliger NATO-Kommandeur damit an die Öffentlichkeit gegangen und hat vorgeschlagen, Kiew solle Territorium – und zwar sogar mehr als nur die Krim – aufgeben und Frieden schließen. Musk hatte somit den richtigen Riecher. Die fahnenschwenkenden "Freunde" der Ukraine im Westen machen die territorialen und andere Verluste für die Ukraine nur noch schlimmer.

Die westlichen "Eliten" könnten etwas länger brauchen, um in Bezug auf die Frage der Neutralität zu einer ähnlichen Einsicht zu gelangen – zumindest in der Öffentlichkeit. Aber beim Territorium, einem Schlüsselthema, hatte Musk einfach das richtige Bauchgefühl, und es ist wahrscheinlich, dass man in der Frage der Neutralität in dieselbe Richtung einschwenken wird. Oder anders ausgedrückt: Musk und viele andere, dieser Autor mit eingeschlossen, lagen richtig, als sie schon früh einen Kompromissfrieden forderten. Der Ukraine wäre es nicht schlechter ergangen als zum heutigen Zeitpunkt, sondern wahrscheinlich sogar wesentlich besser. Auch hätten weniger Menschen ihr Leben lassen müssen.

Aber vernünftige Friedensvorschläge gemacht zu haben, obwohl niemand Lust hatte zuzuhören, war nicht die einzige Sünde von Musk im Hinblick auf den Ukraine-Krieg. Es ging auch um Starlink, eine Technologie der Firma SpaceX, die Musk gehört. Im ersten Kriegsjahr hat Musk zwei Dinge getan. Erstens stellte er dem ukrainischen Militär diesen mobilen Satelliten-Internetdienst zur Verfügung, was äußerst wichtig war und was die Ukrainer vor Dankbarkeit schwärmen ließ. Zweitens schränkte er anschließend die Nutzung geografisch ein, was die Ukrainer wiederum sehr verärgerte. Damals argumentierte er wenig überzeugend, dass der Internetdienst SpaceX zu viel kosten würde und er sich zu Recht frage, warum er ihn der Ukraine überhaupt kostenlos zur Verfügung stellen oder subventionieren sollte.

Überzeugender äußerte er auch ethische Bedenken. Obwohl er bereit war, der Ukraine zu helfen, versuchte er, eine Grenze zwischen sich und einer "ausdrücklichen Beteiligung an einer Kriegshandlung und Konflikteskalation" zu ziehen. Mit anderen Worten: Er beharrte auf seiner Verantwortung für sein eigenes Handeln, anstatt der damals geradezu "obligatorischen" Maxime zu folgen: "Was Selenskij will, bekommt Selenskij auch. Fragen werden weder erlaubt noch gestellt." Das – zusammen mit dem beispiellosen Affront, doch tatsächlich mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin gesprochen zu haben – wurde zum Auslöser dafür, dass Ronan Farrow im New Yorker die "Schattenherrschaft" von Musk kritisierte, ihm Selbstgefälligkeit vorwarf und ihn quasi als Mischung eines nationalen Sicherheitsrisikos und eines Bond-Bösewichts darstellte.

Taiwan könnte durchaus zur nächsten Ukraine werden – ist also ein weiterer Ort, der in einem völlig vermeidbaren Krieg zu Staub zermahlen wird, angeheizt vor allem durch eine fast pathologische Unfähigkeit in Washington, D.C., die nationalen Interessen durch Kompromisse unter Erwachsenen zu verfolgen, anstatt durch vergebliche Kriege im Namen der Unipolarität. Vor ein paar Monaten beging Musk die unverzeihliche Sünde, auf eigentlich bekannte Tatsachen hinzuweisen. Aus Pekings Sicht, erklärte er, sei Taiwan "ein integraler Bestandteil Chinas, der in willkürlicher Weise nicht Teil Chinas ist, vor allem weil die US-Pazifikflotte jede Art von Bemühungen zur Wiedervereinigung mit Gewalt verhindert hat". Das stimmt tatsächlich. Ja, er hat sogar auch einen Vergleich mit Hawaii gezogen. Aber wen interessiert schon der Status von Hawaii?

Taiwan ist allerdings auch ein Sonderfall. Die USA und China praktizieren schon lange einen Kompromiss, der bis ins Jahr 1972 zurückreicht. China beharrt darauf, dass es das Recht hätte, notfalls Gewalt anzuwenden, um Taiwan wieder mit dem chinesischen Festland zu vereinen – aber vor allem hat China bisher davon Abstand genommen. Die USA hingegen haben erkannt, dass Peking für China und nicht für Taiwans Hauptstadt Taipeh spricht, während sie Taiwan weiterhin militärisch unterstützen und eine Politik der "strategischen Vieldeutigkeit" beibehalten. Dies soll die Frage offen lassen, ob Washington jemals Taiwan verteidigen würde oder nicht. Dieser Kompromiss war zwar inkonsistent, trug aber dazu bei, den Frieden in der Region ein halbes Jahrhundert lang zu bewahren. Doch seit 2022 ist es Washington und nicht Peking, wo dieses fragile Gleichgewicht ins Wanken gebracht wird: durch provokative Besuche, militärische Übungen und Erklärungen – allen voran des US-Präsidenten Joe Biden selbst. In diesem Zusammenhang erinnerte Musk alle an die zugrunde liegende Realität: dass Taiwan eben kein souveränes Land ist und dass China nach internationalem Recht einen legitimen Anspruch darauf hat.

Doch der Aufbau der Erzählung, welcher der nächste große Krieg um die globale Hegemonie der USA sein könnte – und diesmal wird er gegen China und nicht gegen Russland verloren gehen –, erfordert, dass diese grundlegende Tatsache verschwiegen wird. Für CNN und andere Mainstream-Medien wäre es äußerst schwierig, die Öffentlichkeit in den nötigen Aufruhr gegen die "chinesische Aggression" zu versetzen, wenn sich die Öffentlichkeit allzu gut darüber im Klaren wäre, dass China tatsächlich nur hinter dem her ist, was rechtlich gesehen sein eigenes Territorium ist.

Während Musk in Bezug auf die Welt außerhalb der USA noch sachlich blieb, hat er in Bezug auf die USA für helle Aufregung gesorgt. Im Allgemeinen äußert er sich offener zu seinen politischen Positionen, die stark – und für meinen Geschmack sehr unattraktiv – nach rechts tendieren, selbst für die kapitalistisch-libertären Verhältnisse in den USA. Insbesondere hat er lautstark das aus seiner Sicht verheerende "Woke-Mind-Virus" und das Versagen der amerikanischen Grenz- und Einwanderungspolitik angeprangert. Darüber hinaus äußerte er sich offen dazu, seine Loyalität von den Demokraten zu den Republikanern verlagert zu haben. Aber das Schlimmste ist natürlich, dass er die einst als Twitter bekannte Social-Media-Plattform übernommen hat.

Seitdem wird der Tod von "X", wie Musk die Plattform umbenannt hat, mit einer Regelmäßigkeit vorhergesagt, die an westliche Fantasien über die russische Regierung erinnert. Musk wurde auch wegen seiner Parteilichkeit und Launenhaftigkeit in seinem sehr persönlichen Umgang mit X kritisiert, oft sogar aus gutem Grund. Aber das eigentliche Problem für seine zentristischen Kritiker ist nicht die Parteilichkeit, sondern seine Parteilichkeit in die falsche Richtung. Während das alte Twitter eine solide Bastion des zentrumsliberalen und des woken US-Establishments war, tendiere X unter Elon Musk eher nach rechtskonservativ, sei launisch und unberechenbar.

Dabei handele es sich bei X jedoch nicht mehr um "freie Meinungsäußerung" oder "ausgeglichene Repräsentation der sozialen und politischen Gruppierungen", wie Jill Lepore als eine weitere Musk-Kritikerin mit tadellosen zentristischen Referenzen im New Yorker zu Recht betonte. Denn Twitter/X war schon immer in erster Linie ein Business. Was auf dem Spiel steht, ist etwas anderes: Die Kontrolle oder – wie der scharfsinnige italienische Marxist Antonio Gramsci es ausgedrückt hätte – die ideologische Hegemonie. Und mit Musk an der Spitze ist das ehemalige Twitter sicherlich kein stabiles Instrument einer solchen Hegemonie. Das macht es zwar nicht zu einem Agenten der Revolution oder auch nur des Fortschritts, aber es führt vorerst zu einer Zunahme der Unsicherheit des Establishments und dessen innerer Machtkämpfe.

Die größte Ironie im "Fall Musk" dürfte sein, dass er erneut zeigt, dass in den USA ein solcher Pluralismus – so wie er sich mit allen seinen Makeln selbst darstellt – vom Willen und der Persönlichkeit jener Personen abhängt, die im Besitz der Medien sind – seien es nun traditionelle oder neue Medien. Am Beginn des Präsidentschaftswahlkampfs 2024 – der egal ob mit oder ohne Donald Trump und Joe Biden durchaus zu einer schweren Krise der US-Oligarchie führen könnte – geht es bei den Angriffen auf Musk nicht wirklich um Musk als Person. Vielmehr spiegeln sie das wider, was gleichzeitig das Wesen der USA ausmacht und ihr schlimmstes, möglicherweise fatales Problem ist: "Freiheit" wurde auf Eigentum reduziert, und das Eigentum ist noch ungleicher verteilt als jemals zuvor.

Übersetzt aus dem Englischen

Tarik Cyril Amar ist Historiker an der Koç-Universität in Istanbul, befasst sich mit Russland, der Ukraine und Osteuropa, der Geschichte des Zweiten Weltkriegs, dem kulturellen Kalten Krieg und der Erinnerungspolitik. Man findet ihn auf X unter @tarikcyrilamar

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