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Die neuen Sanktionen Großbritanniens gegen Iran werden nichts an den Realitäten ändern

Der größten Supermacht der Welt ist es nicht gelungen, Teheran in die Knie zu zwingen. Welche Hoffnungen kann sich also London machen? Die Regierung in Teheran wird sich nirgendwohin bewegen. Die fantasievollen Machenschaften Großbritanniens sind alles andere als hilfreich.

Von Robert Inlakesh

Das neue britische Sanktionsregime gegen Iran wird kaum einen wesentlichen Unterschied machen, abgesehen davon, dass es unnötige Gegenreaktionen aus Teheran hervorrufen und bei der Regierung in London den Eindruck der Rücksichtslosigkeit Irans bestätigen wird. Während Iran in der heutigen multipolaren Welt aufsteigt, belastet die Besessenheit Großbritanniens von einer westlich geprägten Ordnung, die der Vergangenheit angehört, dieses Land bloß.

Der britische Außenminister James Cleverly gab bekannt, dass seine Regierung beschlossen habe, ein neues Sanktionsregime gegen Iran zu verabschieden und die Befugnisse des Vereinigten Königreichs zur Sanktionierung von Entscheidungsträgern in Teheran auf diejenigen auszuweiten, die angeblich an der Verbreitung von Waffen beteiligt sind.

Der Sprecher des US-Außenministeriums, Matthew Miller, reagierte umgehend: "Ich begrüße die Ankündigung des Vereinigten Königreichs, eine neue Sanktionsbehörde zu schaffen." Zudem forderte er, "zusätzliche Maßnahmen aller gleich gesinnten Partner, um gegen die feindseligen Handlungen Irans vorzugehen". Iran revanchierte sich, indem man den britischen Diplomaten in Teheran wegen der "destruktiven und interventionistischen" Äußerungen Großbritanniens ins Außenministerium zitierte.

Trotz der scheinbaren Ernsthaftigkeit, mit der die britische Regierung ihre neueste Entscheidung verkündet hat, ist die Realität so, dass ihre Sanktionen kaum etwas an der Strategie Irans ändern werden. Seit 2018, als der damalige US-Präsident Donald Trump einseitig aus dem Iran-Atomabkommen ausstieg und die derzeit immer noch andauernde Sanktionskampagne des "maximalen Drucks" in Gang setzte, hat sich die iranische Regierung weiterentwickelt und versucht, die Folgen solcher Maßnahmen zu umgehen.

London hat in der Weltwirtschaft keine annähernd so bedeutende Stellung wie sein Verbündeter in Washington. Nachdem Teheran schon von der dominierenden Wirtschaftsmacht der Welt nicht in die Knie gezwungen werden konnte, dürften Sanktionen, die sich lediglich gegen iranische Betätigungen innerhalb des Vereinigten Königreichs selbst richten, erst recht kaum etwas an dieser Situation ändern.

Mögliche Gründe für Londons Sanktionen

Wenn die Sanktionen nichts bewirken, was könnte der Grund für die jüngste Ankündigung aus dem Vereinigten Königreich sein? Hier könnte eine Reihe verschiedener Faktoren zusammenwirken. Zunächst einmal wurde Iran eben erst als Vollmitglied in die Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SOZ) aufgenommen. Die Islamische Republik hat nach Wegen gesucht, die Auswirkungen der jahrelangen Isolation von der Weltwirtschaft zu minimieren, wozu eine Mitgliedschaft in der SOZ durchaus hilfreich ist.

Darüber hinaus strebt Teheran eine Position im Wirtschaftsbündnis BRICS an, was zumindest grundsätzlich von allen bisherigen Mitgliedsstaaten unterstützt wird. Gleichzeitig haben Iran und Russland ein Abkommen über den Bau einer Eisenbahnverbindung als Teil des Internationalen Nord-Süd-Transportkorridors (INSTC) unterzeichnet. Somit steigen die Investitionen innerhalb Irans an, während die internationale Zusammenarbeit des Landes mit freundlich gesinnten Staaten zunimmt, was es ihm ermöglicht, sich den Diktaten des kollektiven Westens zu entziehen.

Es ist wahrscheinlich, dass die USA und ihre westlichen Partner über die Erfolge Irans empört sind und daher nach einer Möglichkeit suchen, Iran zu untergraben. Im vergangenen April geschah etwas, das möglicherweise mit der jüngsten Sanktionserklärung des Vereinigten Königreichs zu tun haben könnte: Nach Bemühungen von Lobbygruppen forderten 125 britische Abgeordnete die Regierung auf, das iranische Korps der Islamischen Revolutionsgarde (IRGC) zur terroristischen Organisation zu erklären und damit den Empfehlungen einflussreicher Denkfabriken Folge zu leisten. Die Europäische Union kündigte ebenfalls ihre Absicht an, die IRGC als terroristische Organisation einzustufen.

In beiden Fällen wurde dies jedoch nicht weiterverfolgt. Wahrscheinlich deshalb nicht, weil es dazu führen könnte, dass jegliche Unterstützung der iranischen Regierung für die IRGC als Unterstützung für den Terrorismus interpretiert wird, was die Ausweisung iranischer Botschafter zur Folge hätte – ein Schritt, der angesichts der aktuellen Situation wahrscheinlich als zu gewagt erschien.

Die Weigerung des Vereinigten Königreichs, sich in dieser Sache zu verpflichten, zog daher harsche Kritik aus dem Parlament nach sich, was wiederum zur Einführung einer Sanktionspolitik geführt haben könnte, die darauf abzielt, die Einstufung der IRGC als Terrorgruppe zu vermeiden.

In Iran betreffenden Fragen folgt das Vereinigte Königreich, zusammen mit seinen westlichen Verbündeten, stets dem Beispiel Washingtons. Dort amtiert derzeit eine US-Regierung unter dem Präsidenten Joe Biden, der versprochen hatte, zum Atomabkommen von 2015 zurückzukehren. Am Ende gab er jedoch nach und kehrte stattdessen zu der harten Sanktionshaltung der Vorgängerregierung unter Trump zurück. Die Überlegungen, die IRGC als Terrorgruppe einzustufen, neue Sanktionen einzuführen und die ständigen unbegründeten Anschuldigungen bezüglich des Strebens nach Atomwaffen durch Iran – all das kommt einem bedeutungslosen Wutanfall gleich.

London lehnt Verantwortung für eigenes Fehlverhalten ab

Das Vereinigte Königreich hat zusammen mit der Ukraine, Kanada und Schweden eine Klage beim Internationalen Gerichtshof eingereicht, wonach Iran im Januar 2020 den Flug 752 der Ukraine International Airlines absichtlich und völkerrechtswidrig abgeschossen habe. Obwohl diese Tragödie eindeutig nicht vorsätzlich geschah, verfolgen die westlichen Regierungen und Medien weiterhin jene Linie, wonach die iranische Luftabwehr absichtlich den Tod der 176 Passagiere an Bord provozierte.

Jedoch ignorieren sie dabei die Tatsache, dass zu dem Zeitpunkt legitime Bedrohungen in Gestalt von US-Luftangriffen auf Iran bestanden, nachdem durch die IRGC ballistische Raketen auf den US-Militärstützpunkt al-Asad im Irak abgeschossen worden waren. Dies geschah als Reaktion auf die Ermordung ihres Generals Qassem Soleimani durch einen US-Drohnenangriff. Obwohl Teheran mangelnde Transparenz vorgeworfen wird, haben die iranischen Behörden zehn Personen zu Gefängnisstrafen verurteilt, weil sie ihrer Meinung nach einen nicht legitimierten Abschuss von Flugabwehrraketen in Richtung des Passagierflugzeugs durchgeführt haben. Tage vor dem Vorfall hatte US-Präsident Donald Trump zudem öffentlich damit gedroht, über 50 Ziele in Iran anzugreifen, darunter auch Kulturstätten.

Das Vereinigte Königreich lehnt es immer wieder ab, die Verantwortung für sein eigenes Fehlverhalten zu übernehmen und folgt unbeirrt Washingtons Anweisungen, gegen Iran vorzugehen. Währenddessen wird das eigene Volk von der Inflation und einer Krise bei den Lebenshaltungskosten arg gebeutelt. Die britische Regierung zieht es jedoch vor, ihre Zeit damit zu verbringen, dem Rest der Welt Standpauken zu halten, anstatt ihre Aufmerksamkeit darauf zu legen, wie der eigenen Bevölkerung stabile Lebensbedingungen und eine Zukunft geboten werden könnten.

Die Regierung in Teheran wird sich nirgendwohin bewegen. Gleichzeitig sind Londons fantasievolle Machenschaften nicht hilfreich, einen Regimewechsel in Iran herbeizuführen. Die Versuche, Iran zu delegitimieren, werden nur eine unnötige Gegenreaktion hervorrufen und gleichzeitig den Nationen außerhalb des kollektiven Westens aufzeigen, dass die Arroganz des Westens diesen blind macht für ein konstruktives Engagement in der entstehenden multipolaren Ordnung.

Aus dem Englischen

Robert Inlakesh ist politischer Analyst, Journalist und Dokumentarfilmer und lebt derzeit in London. Er hat aus den besetzten palästinensischen Gebieten berichtet und dort gelebt. Inlakesh arbeitet derzeit für Quds News und Press TV. Er ist Regisseur des Films "Diebstahl des Jahrhunderts: Trumps Palästina-Israel-Katastrophe". Man kann ihm auf Twitter unter @falasteen47 folgen.

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