Das Rennen um Hyperschall-Waffen ist ein Marathon, kein Sprint: Wer überquert zuerst die Ziellinie?
Eine Analyse von Michail Chodarjonok
Am vergangenen Donnerstag teilte das Pentagon mit, dass sein jüngster Test vom Pacific Spaceport Complex – Alaska, südlich von Kodiak gelegen, misslang, nachdem eine Trägerrakete mit einem Hyperschall-Gleitkörper an Bord nicht gestartet werden konnte. Somit blickt die US-Luftwaffe seit Anfang dieses Jahres auf drei fehlgeschlagene Tests mit seiner Hyperschall-Rakete vom Typ AGM-183A zurück.
Anfang vergangener Woche gaben die USA jedoch auch bekannt, dass ihre Hyperschall-Raketentechnologie in einer Einrichtung der NASA auf Wallops Island, Virginia, erfolgreich getestet werden konnte. "Dieser Test war eine Demonstration fortschrittlicher Hyperschalltechnologie, ihrer Fähigkeiten und der Funktionen des Prototyps in einer realistischen Einsatzumgebung", verkündete die Navy in einer Erklärung und fügte hinzu, dass dies "ein wichtiger Schritt in der von der Navy angeführten Entwicklung einer Hyperschall-Rakete" sei. Es bleibt anzumerken, dass Fehlschläge bei Tests von Waffen und militärischer Ausrüstung Teil jeder Entwicklungsphase sind.
Nach dem ersten erfolglosen Start der amerikanischen AGM-183A-Rakete im Pazifischen Ozean beeilten sich einige Medien mit Meldungen, dass die Vereinigten Staaten erneut nicht gemeinsam mit Russland und China in den Club jener Länder Einzug hielten, die Hyperschallraketen in ihren Arsenalen haben. Aber man muss diese Beobachter vor allzu vorschnellen Schlussfolgerungen warnen.
Es besteht auch kein Grund zur Schadenfreude. Vergessen wir nicht, dass alle Tests mit Hyperschall-Waffen in den genannten Ländern als Staatsgeheimnis und als geheimes militärisches Wissen behandelt werden. Es gibt zum Beispiel keine verlässlichen Daten über Tests aus China. Die USA sind diesbezüglich offener, aber es handelt sich auch hierbei noch immer um Verschlusssachen. Die Öffentlichkeit hat keine Möglichkeit, die tatsächlichen Ergebnisse der Tests in Erfahrung zu bringen.
Daher ist es keine zutreffende Einschätzung, wenn Journalisten schreiben, dass die Vereinigten Staaten "erneut gescheitert" seien. Lassen Sie mich an den Teststart der sowjetischen antiballistischen Rakete V-1000 erinnern, die Teil des Systems A war, eines sowjetischen anti-ballistischen Raketensystems. Am 4. März 1961 hatte dieses System erstmals eine ballistische Rakete abgefangen, eine Mittelstreckenrakete vom Typ R-12. Man kann ohne Übertreibung sagen, dass dies ein Moment des Triumphs für die sowjetische Waffenindustrie war. Bis zum 4. März 1961 hatten jedoch auch elf fehlgeschlagene Tests stattgefunden. Hunderte von Tests für Flugabwehrraketen wurden durchgeführt. Nicht alle waren erfolgreich.
Wir wissen nicht genau, was beim Test in den USA schiefgelaufen ist, denn wir haben keinen Zugriff auf diese Informationen. Allgemein wissen wir nicht viel über die Technologie, die sich hinter der Hyperschall-Rakete der USA verbirgt. Die Details und technischen Spezifikationen wurden der Öffentlichkeit nicht zugänglich gemacht.
Was die chinesischen Hyperschall-Raketen angeht, gibt es absolut keine verifizierten Informationen. Peking dementierte Berichte, wonach es Anfang des Jahres eine nuklearwaffenfähige Hyperschall-Rakete getestet habe. Man erklärte, es habe sich nicht um eine Rakete, sondern um eine routinemäßige Überprüfung eines Raumfahrtobjekts gehandelt. Es ist jedoch praktisch unmöglich, vor den USA oder Russland mit ihren Warnsystemen für Raketenangriffe etwas zu verbergen, das sich im nahen Orbit bewegt.
Daher kann man davon ausgehen, dass Spezialisten über die notwendigen Informationen über die chinesische Hyperschalltechnologie verfügen, mit der angeblich der Globus umkreist wurde. Unmittelbar nach einem Teststart dieser Waffe könnten die US-amerikanischen und russischen Aufklärungseinheiten für den Weltraum mit ihren Radarsystemen für ballistische Raketen (und auch mit ihrem Radar für den Blick über den Horizont) die Flugbahn der chinesischen Rakete berechnet und den dafür Zuständigen beim Militär alle Missionsparameter ausgehändigt haben.
Wenn also US-Präsident Joe Biden sagt, er sei besorgt über die Leistungsfähigkeit der chinesischen Hyperschalltechnologie, dann gibt es wahrscheinlich eine Grundlage für seine Befürchtungen. General Mark A. Milley, der Vorsitzende des Generalstabes der USA, nannte Chinas angeblichen Teststart einer Hyperschall-Rakete "sehr besorgniserregend" und verglich diesen mit dem "Sputnik-Moment" – dem Start des ersten Satelliten in der Geschichte der Menschheit durch die Sowjetunion im Jahr 1957, mitten im amerikanisch-sowjetischen Wettrennen in den Weltraum. "Was wir gesehen haben, war das sehr bedeutende Ereignis eines Tests eines Hyperschall-Waffensystems. Und das ist sehr besorgniserregend", sagte der ranghöchste Offizier der USA vergangene Woche in einem Interview in der David Rubenstein Show auf Bloomberg TV. "Ich weiß nicht, ob es ein Sputnik-Moment war, aber ich denke, es kommt dem sehr nahe."
Tests mit Hyperschall-Waffen sind kein Sprint, sondern ein Marathon. Momentan ist es also sinnlos, sich anzusehen, wer in diesem Rennen vorne liegt oder etwas zurückliegt. Wichtig ist hier nicht das Rennen an sich, sondern wer zuerst ans Ziel kommt, Hyperschall-Waffen in den aktiven Dienst aufnehmen und mit der Massenproduktion beginnen zu können. Und selbst das wäre nicht der ultimative Indikator.
Nur ein erfolgreicher praktischer Einsatz von Hyperschall-Waffen auf dem Schlachtfeld wird den wahren Anführer in diesem Rennen bestimmen. Dies ist die eigentliche "Abschlussprüfung" für jede Waffentechnologie und der ultimative Test, der beweisen kann, dass die ursprüngliche Idee aufgegangen ist, dass die Ressourcen effizient investiert wurden und die Entwickler den richtigen Weg eingeschlagen hatten. Aber zum jetzigen Zeitpunkt wären sowohl eine Jubelfeier als auch Schadenfreude über misslungene Tests verfrüht.
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Übersetzung aus dem Englischen
Michail Chodarjonok ist Oberst im Ruhestand und Militärkommentator für RT.com. Er diente als Offizier in der Hauptdirektion des Generalstabs der russischen Streitkräfte.
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