Deutschland

TV-Duell zwischen Höcke und Voigt – Politische Normalität oder Medienskandal?

Heute Abend treffen Björn Höcke und Mario Voigt im Fernsehduell aufeinander. Die Entscheidung des Fernsehkanals Welt TV, die Spitzenkandidaten der AfD und der CDU zur Diskussion zu laden, sorgt für Kritik. Eine einstige Selbstverständlichkeit – die öffentlich ausgetragene Debatte politischer Kontrahenten – gilt dem Mainstream im Fall der Person Höcke als unangebracht.
TV-Duell zwischen Höcke und Voigt – Politische Normalität oder Medienskandal?© Screenshot: WeltTV

In Thüringen finden am 26. Mai 2024 die nächsten Kommunalwahlen statt. Bodo Ramelow (Die Linke) wurde zuvor am 4. März 2020 über einen dritten benötigten Wahlgang mit 42 Ja-Stimmen gegen 23 Nein-Stimmen bei 20 Enthaltungen zum erneuten Thüringer Ministerpräsidenten gewählt (Kabinett Ramelow II).

Der dem Springer-Verlag zugehörige "Welt TV"-Sender wird heute Abend den Zuschauern um 20:15 Uhr ein "Streitgespräch" zwischen dem Spitzenkandidaten der AfD, Björn Höcke, und dem CDU-Konkurrenten Mario Voigt präsentieren. Sowohl die Medien als auch die politische Konkurrenz zeigen sich irritiert bis mehrheitlich ablehnend gegenüber dem Ereignis – vordergründig bezogen auf die Person Björn Höcke. Der Nachrichtenkonkurrent n-tv fragt in einem Artikel:

"Voigt trifft auf Höcke – Ist es klug, mit einem Nazi zu diskutieren?"

Zur laufenden kontroversen Diskussion heißt es dabei einleitend:

"Die Thüringer Spitzenkandidaten von CDU und AfD, Mario Voigt und Björn Höcke, treffen sich zum TV-Duell. Voigt erfährt dafür viel Kritik: Er werte einen Rechtsextremisten auf, warnen die einen. Die anderen sehen keine Alternative dazu, Höcke und seine Partei zu demaskieren."

Die ebenfalls zum Springer-Verlag gehörige Bild möchte am Tag der Sendung den Lesern vorab "den Höcke-Code entschlüsseln" (Bezahlschranke). Die seitens der Redaktion gewählte Wortwahl spiegelt die aktuell gängige und verbreitete Sichtweise auf den Politiker Höcke wider. So heißt es wörtlich:

"Ist das jetzt der Untergang des bundesdeutschen Abendlandes oder einfach nur die Anerkennung der Polit-Realität in Thüringen? Eigentlich ein normaler Vorgang, wenn da nicht der Name Höcke wäre – und die Frage: Kann man den Ultrarechten knacken? Kann man ihm ansehen, wie der gerade tickt? […] Auffällig: Höcke neigt unter Druck und in Rage zum Fuchteln mit linkem Arm und Zeigefinger. Das wird ihm oft als Anlehnung an Hitlers Hetzer Joseph Goebbels ausgelegt. Die rechte Hand hält er meist mit der linken unter Kontrolle. Wenn nicht: kurz vor Vulkanausbruch, dann droht der Fassadenriss."

In einer Wählerumfrage von Ende März erfährt die Partei AfD eine Zustimmung von 29 Prozent. Laut Thüringentrend im Auftrag des MDR liegt die CDU mit 20 Prozent (minus 1) auf dem zweiten Platz. Die Linke folgt mit 16 Prozent (minus 4) und liegt nur knapp vor dem BSW. Anfang März wurde Höcke seitens des Justizausschusses im Thüringer Landtag zum achten Mal die Immunität entzogen. Die Thüringer CDU erlangte medial kurzzeitige Aufmerksamkeit durch ihre Motivauswahl bei den aktuellen Wahlkampfplakaten.

Das Boulevardmagazin Stern stellt fest, dass "erstmals ein CDU-Politiker einem Rechtsextremisten eine große Bühne jenseits der Parlamente" ermöglicht, um dann zu fragen: "Ob das gut geht?" Der Spiegel erkennt in dem "kontroversen" Sendekonzept eine vermeintliche "Kapitulation". Der Autor ist sich sicher:

"Die AfD muss in Talkshows vorkommen, denn nur durch Normalität lässt sie sich entzaubern. Doch ein TV-Duell mit einem Rassenideologen wie Björn Höcke am Jahrestag einer KZ-Befreiung ist die denkbar schlechteste Idee."

Das Handelsblatt erkennt, Höcke sei "beim TV-Duell mit Mario Voigt im Vorteil". Für "Experten" stehe daher "der Verlierer jetzt schon fest". ARD und ZDF wie auch aktuell das Handelsblatt lassen dabei regelmäßig den "Politikberater" Johannes Hillje zu Wort kommen, ohne dabei zu erwähnen, dass dieser nebenberuflich auch "Wahlkampfmanager der Grünen war, dabei die Grünen und die SPD sowie die Ministerien von Habeck, Baerbock und Heil beriet".

Hillje erläutert in einem längeren X-Posting zum "TV-Ereignis":

"Voigt will Höcke 'inhaltlich stellen'. Taktisch will er wohl seine Bekanntheit steigern, die Wahl auf 'Voigt oder Höcke' verengen und Ramelow ins Abseits stellen. Aber: Voigt versus Höcke ist das Duell der Unbeliebten, Ramelows Linke wird wegen seiner Popularität noch zulegen."

Fragwürdig ist für den Experten zudem, "warum sich Voigt nicht mit Ramelow duelliert, denn Höcke hat wohl von den Dreien die geringsten Chancen, Ministerpräsident zu werden". Der Deutschlandfunk erklärt seinen Hörern:

"Nach Kritik an dem geplanten TV-Duell mit dem rechtsextremen AfD-Politiker Björn Höcke und Mario Voigt von der CDU, verteidigt Welt-TV-Chef Jan Philipp Burgard das Format. Die Strategie des Totschweigens der AfD habe nicht gefruchtet. "Welt"-TV-Chef: 'Wir wollen einen Boxring der Demokratie'."

Der Politikwissenschaftler Oliver Lembcke teilte der Welt-Redaktion mit, dass "so eine Auseinandersetzung Potenzial zum Demaskieren" hätte. Die weitere Einschätzung zum Verlauf des Gesprächs lautet:

"Er glaube nicht, dass Höcke 'so besonders viel drauf hat. Was der kann, ist strategisch zu provozieren und zu triggern', meinte der Experte. Aber letztlich sei Höcke nicht so cool und souverän, wie viele Menschen glaubten." 

Am Dienstag forderte der Linke-Parteichef Martin Schirdewan CDU-Chef Friedrich Merz zum Einschreiten auf. Die Welt zitiert Schirdewan mit der Feststellung:

"Die CDU adelt den braunen Hetzer so zum seriösen Gesprächspartner und macht ihn salonfähig. Wer Höcke eine Bühne bietet, macht sich zum Komplizen. Ich fordere CDU-Chef Friedrich Merz auf, jetzt ein Machtwort zu sprechen, um diese schwarz-braune Freakshow zu unterbinden." 

Das Fernsehduell kam zustande, da der thüringische CDU-Landeschef Voigt der Welt in einem Interview mitteilte, AfD-Konkurrent Höcke "wolle Europa sterben lassen", dies in Anspielung auf Höckes viel zitierten Satz: "Diese EU muss sterben, damit das wahre Europa leben kann." Voigt wörtlich im Interview (Bezahlschranke):

"Was hat die AfD denn vorzuweisen? Ich sehe, dass Herr Höcke laut schreit."

Höcke drohte Voigt daraufhin via X-Posting mit einer Unterlassungsklage, um dann jedoch vorzuschlagen:

"Lieber Kollege Voigt, da wir beide Politiker und keine Juristen sind, lassen Sie uns das Problem anders lösen. Wie wäre es mit einer Diskussion – Format bestimmen Sie – zum Europabegriff? Oder kneifen Sie und Ihre Fraktion wie schon zur MP-Wahl im März 2020, als Sie Ramelow eine 2. Amtszeit gesichert haben?"

Daniel Haseloff, Landesvorstandsmitglied der AfD-Thüringen, informierte am Tag der TV-Diskussion:

"Wer die Hoffnung auf neutrale Moderation des heutigen TV-Duells mit Höcke und Voigt auf Welt-TV hatte, wurde heute früh im Podcast des Senders direkt ernüchtert. Die Strategie von Chefredakteur Burgard und Welt ist klar."

Laut dem Podcast will der Welt-Chefredakteur während des Gesprächs live einen Faktencheck durch die Redaktion präsentieren, um Aussagen beider Politiker unmittelbar bewerten zu lassen. Das von Tatjana Ohm und Jan Philipp Burgard moderierte Duell wird "am Donnerstag, 11. April, um 20.15 Uhr auf WELT TV ausgestrahlt sowie live auf welt.de übertragen", so Informationen der Redaktion.

Das ZDF fragt wenige Stunden vor der Sendung: "Zu viel Bühne für die AfD?"

Mehr zum Thema – Zum achten Mal: Immunität von Björn Höcke erneut aufgehoben

Durch die Sperrung von RT zielt die EU darauf ab, eine kritische, nicht prowestliche Informationsquelle zum Schweigen zu bringen. Und dies nicht nur hinsichtlich des Ukraine-Kriegs. Der Zugang zu unserer Website wurde erschwert, mehrere Soziale Medien haben unsere Accounts blockiert. Es liegt nun an uns allen, ob in Deutschland und der EU auch weiterhin ein Journalismus jenseits der Mainstream-Narrative betrieben werden kann. Wenn Euch unsere Artikel gefallen, teilt sie gern überall, wo Ihr aktiv seid. Das ist möglich, denn die EU hat weder unsere Arbeit noch das Lesen und Teilen unserer Artikel verboten. Anmerkung: Allerdings hat Österreich mit der Änderung des "Audiovisuellen Mediendienst-Gesetzes" am 13. April diesbezüglich eine Änderung eingeführt, die möglicherweise auch Privatpersonen betrifft. Deswegen bitten wir Euch bis zur Klärung des Sachverhalts, in Österreich unsere Beiträge vorerst nicht in den Sozialen Medien zu teilen.