Bayern: Verwaltungsgericht lehnt Eilantrag gegen Ausgangssperre ab – Klage weiter anhängig
Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof ist eine sogenannte Normenkontrollklage gegen die nächtliche Ausgangssperre zwischen 22 und 5 Uhr anhängig. Diese gilt bislang in dem Freistaat in Landkreisen mit einer Sieben-Tage-Inzidenz ab 100. Dagegen geklagt hat der Journalist Florian Osrainik, der jüngst das Buch Das Corona-Dossier veröffentlicht hat. Nach Auffassung des Klägers verstößt die im Rahmen der Bayerischen Infektionsschutzverordnung erlassene Ausgangssperre gegen den im Infektionsschutzgesetz (IfSG) des Bundes vorgesehenen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und stelle damit "keine notwendige Schutzmaßnahme" dar.
Die behördliche Maßnahme sei auch deswegen nicht geeignet, "da die in Bayern über einen längeren Zeitraum verhängten Ausgangsbeschränkungen im letzten Jahr keinerlei Evaluation unterzogen worden sind". Dies ziehe sich "wie ein roter Faden durch die sogenannte Pandemie". Maßnahmen würden nicht auf ihre Wirksamkeit geprüft und "Studien nur in Auftrag gegeben, um die Maßnahmen zu rechtfertigen". Auch sei der Anreiz zum Verlassen des privaten Wohnbereichs schon jetzt deutlich geringer als tagsüber, "da zu nächtlicher Stunde die nicht bereits durch die in Bayern ohnehin geschlossenen Einrichtungen ebenfalls geschlossen sind".
Zudem sei laut dem Antragsteller nicht nachvollziehbar, inwiefern der bloße Aufenthalt im Freien ohne Kontakt zu anderen Menschen mit einem relevanten Infektionsrisiko verbunden sei. Außerdem ergebe es unter Infektionsschutzgesichtspunkten keinen Sinn, dass es untersagt ist, sich von 22 Uhr bis 5 Uhr aus dem eigenen Haushalt heraus- und in einen fremden Haushalt hineinzubegeben, aber der Aufenthalt in fremden Haushalten von 5:01 Uhr bis 21:59 Uhr zulässig ist.
Die Normenkontrollklage wurde von einem Eilantrag begleitet. Dessen Ziel war es, die Ausgangssperre bereits vor einer Entscheidung im Hauptsacheverfahren aufheben zu lassen. In der Sache fehle es insbesondere an Belegen für die Wirksamkeit einer Ausgangssperre für die Eindämmung der Virusverbreitung, sodass die Maßnahme einer fundierten Grundlage entbehre. Im Antrag heißt es dazu:
"Der Verordnungsgeber macht sich auch ein Jahr nach Beginn der Pandemie nicht einmal die Mühe, die Effektivität der Maßnahmen zu überprüfen oder gar zu hinterfragen. Mit jeder Verlängerung des Lockdowns und der Maßnahmen müssen die Anforderungen an den Nachweis der Effizienz der Maßnahmen jedoch steigen. Die Untätigkeit des Verordnungsgebers darf nicht zu seinem Vorteil gereichen."
Auch sei der Rückgriff auf Inzidenzwerte für die Einführung beziehungsweise Lockerung freiheitseinschränkender Maßnahmen nicht zweckmäßig, da diese von der Anzahl der Testungen abhängig und damit steuerbar seien, was in dem Antrag anhand eines einfachen Rechenbeispiels verdeutlicht wird. Dazu heißt es dann wortwörtlich:
"Der Inzidenzwert lässt mit dieser Berechnung keine Rückschlüsse auf das Pandemiegeschehen zu. Schlimmer noch: Die Pandemie lässt sich so steuern und in die Länge ziehen. (…) Die nächtliche Ausgangssperre, die ab einem Inzidenzwert von über 100 einsetzt, ist schon aus diesem [Grund] nicht verhältnismäßig."
Zudem gebe es bei den PCR-Testungen eine "enorme Fehlerquote". Es sei somit "irreführend und falsch", wenn "in den Nachrichten und Medien die Zahl der positiv PCR-Getesteten als 'neue Coronafälle' oder 'Neuinfektionen'" bezeichnet würden. Der Antrag verweist überdies noch auf soziale und psychologische Auswirkungen von Kontaktsperren und Ausgangsbeschränkungen und fasst zusammen:
"Es ist höchste Zeit, dass die Politik durch die Gerichte gezwungen wird, die Erkenntnisse der Wissenschaft zu akzeptieren und aufhört, weiterhin immensen Schaden anzurichten."
Verwaltungsgerichtshof lehnt Eilantrag ab
Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof wollte dem Antragsteller jedoch nicht folgen und lehnte den Eilantrag ab. In dem Beschluss, der RT DE vorliegt, wurde dies zum einen damit begründet, dass dem Hauptsacheverfahren eher geringe Erfolgsaussichten zugerechnet werden – ein durchaus wesentliches Kriterium für die Entscheidung in einem Eilverfahren. Inhaltlich geht das Gericht jedoch praktisch gar nicht auf die Argumente des Klägers ein, obwohl diese ja letztlich die Entscheidungsgrundlage für die Maßnahmen darstellen. So heißt es in dem Entscheid etwa:
"Das Vorbringen des Antragstellers, die Wirksamkeit nächtlicher Ausgangssperren sei wissenschaftlich zweifelhaft oder unbelegt, greift nicht durch. Der Verordnungsgeber darf bei der Pandemiebekämpfung nicht erst dann tätig werden, wenn die Tatsachengrundlage für eine Maßnahme in der Wissenschaft als übereinstimmend gesichert bewertet wird (…). Auch der Einwand, der Wert der 7-Tage-Inzidenz sei kein geeigneter Richtwert, geht ins Leere. § 28a Abs. 3 Satz 4 IfSG legt fest, dass Maßstab für die zu ergreifenden Schutzmaßnahmen insbesondere die Anzahl der Neuinfektionen mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 je 100.000 Einwohnern innerhalb von sieben Tagen ist."
Auch sei die Heranziehung von PCR-Tests "nicht grundsätzlich ungeeignet, um das Pandemiegeschehen abzubilden", jedenfalls, solange "keine zuverlässigere Testmethode vorhanden und anerkannt ist". Man verkenne jedoch nicht,
"dass die zum Teil tiefgreifenden Grundrechtseinschränkungen im Zusammenhang mit der Pandemiebekämpfung nach verschiedenen wissenschaftlichen Studien, auf die sich der Antragsteller beruft, bei Betroffenen zu nicht unerheblichen Auswirkungen auf die physische und/oder psychische Gesundheit haben können".
Ob es sich bei der Ablehnung des Eilantrags jedoch bereits tatsächlich um eine Art Vorentscheid für das Hauptsacheverfahren handelt, bleibt noch abzuwarten. In der letzten Woche hatte das Oberverwaltungsgericht (OVG) Lüneburg in einem vergleichbaren Verfahren die Ausgangssperre in der Region Hannover gekippt. Das OVG begründete seinen Beschluss damit, dass eine Ausgangsbeschränkung zwar begrenzt geeignet, aber nicht erforderlich sei, solange die staatlichen Stellen die bestehenden Maßnahmen nicht vollständig durchgesetzt hätten.
Bei der angeordneten Ausgangssperre handele es sich um einen Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und damit nicht um eine notwendige Schutzmaßnahme. Insbesondere sei es "nicht zielführend, ein diffuses Infektionsgeschehen ohne Beleg in erster Linie mit fehlender Disziplin der Bevölkerung sowie verbotenen Feiern und Partys im privaten Raum zu erklären", begründete das OVG. Nach mehr als einem Jahr mit der Pandemie "bestehe die begründete Erwartung nach weitergehender wissenschaftlicher Durchdringung der Infektionswege". Maßnahmen, die nur auf Verdacht hin ergriffen würden, seien nicht mehr zu rechtfertigen, so eine Mitteilung des OVG.
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