Lateinamerika

USA droht ein Öl-Mangel: Regierungsdelegation verhandelt in Venezuela mit Nicolás Maduro

Plötzlich wird sogar der bisher verteufelte "Diktator" Nicolás Maduro wieder salonfähig. Eine hochrangige US- Regierungsdelegation reiste zu ihm nach Venezuela, um Gespräche zu führen. Ergebnisse wurden bislang nicht bekannt, doch dass es den USA um Öl geht, ist wohl sicher. Und Maduro hat die Geste aus Washington innenpolitisch den Rücken gestärkt.
USA droht ein Öl-Mangel: Regierungsdelegation verhandelt in Venezuela mit Nicolás MaduroQuelle: www.globallookpress.com © ZUMAPRESS.com

Eine Analyse von Maria Müller

Das Motiv ist nur zu durchsichtig: Washington braucht einen Ersatz für das bislang importierte russische Öl, um den Preisanstieg von Treibstoffen in den USA aufgrund des Wirtschaftskrieges gegen Russland abzufedern. Auch sollen die engen Beziehungen Venezuelas zu Russland und China möglichst gekappt werden. Juan Gonzalez, Topberater des US-Präsidenten für Lateinamerika, sagte in der vergangenen Woche gegenüber Americas Quarterly (AQ), Washington setze nun nicht mehr auf den Sturz der Maduro-Regierung.

Man reibt sich ungläubig die Augen und blickt noch einmal zurück auf die fast zehn Jahre einer grausamen Destabilisierungskampagne der USA gegen den "Hort des Bösen" am Rande der Karibik.

Nun kommen die Emissäre aus Nordamerika mit Angeboten einerseits und Drohungen andererseits – die bekannte Taktik von "Zuckerbrot und Peitsche".

Denn vor einem Monat verstärkte die US-amerikanische "Ukraine-Expertin" Victoria Nuland in Kolumbien bereits das traditionelle Bedrohungsszenario gegen Venezuela mit einem aktualisierten Narrativ.

Im Rahmen einer bi-nationalen militärstrategischen Konferenz in Bogota mit Kolumbien und den USA warnte sie ausdrücklich vor der russischen Gefahr. Russland würde sich bereits in die kolumbianischen Wahlen einmischen, bei denen der linke Präsidentschaftskandidat Petro diesmal hohe Gewinnchancen hat. Außerdem sei Russland dabei, Venezuelas Grenzregion zu Kolumbien in ein militärisches Aufmarschgebiet zu verwandeln.

Der uruguayischen Journalist Raúl Zibechi verdeutlichte, dass die USA zwischen 2001 und 2016 rund zehn Milliarden US-Dollar (knapp 8,9 Milliarden Euro) an Militärhilfe in Kolumbien investiert haben. US-Militärs hätten etwa 100.000 Soldaten für die größte Bodenarmee Südamerikas ausgebildet. Mit acht US-Militärstützpunkten allein in diesem Land könne von Kolumbien aus nun jedes Nachbarland bedrängt werden. Zibechi meint:

"Kolumbien will die Ukraine von Südamerika werden."

Kolumbien ist der einzige sogenannte "Partnerstaat" der NATO in Lateinamerika. Eine Präsidentschaft von Gustavo Petro würde allerdings die militärischen Optionen der USA zumindest auf Eis legen. Und auch das kolumbianische Volk will keinen Krieg.

Die Staatssekretärin im US-Außenministerium für politische Angelegenheiten Nuland verkündete das neue Narrativ auch als indirekte Drohung gegen andere südamerikanische Staaten, die in den letzten 20 Jahren ein freundschaftliches politisches Verhältnis und starke Wirtschaftsbeziehungen mit Russland aufgebaut haben.

Damit Venezuela das Ganze richtig versteht, hat US-Präsident Biden wenige Tage vor dem Besuch in Caracas die Entschließung "Executive Order 13962" erneuert, mit welcher sein früherer Amtsvorgänger Barack Obama Venezuela im Jahr 2015 zu einer "ungewöhnlichen und außerordentlichen Bedrohung der nationalen Sicherheit" (angeblich der USA) erklärt hatte.

Welche Perspektiven ergeben sich für Venezuela?

Ob die Maduro-Regierung es unter diesen Bedingungen riskiert, zum Spielball kurzfristiger konjunktureller Schachzüge der USA zu werden, ist eher unwahrscheinlich. Sie weiß, dass sie ohne den Rückhalt ihrer bisherigen Partner den USA dann längerfristig hilflos ausgeliefert wäre, die nach wie vor die immensen Rohstoffe Venezuelas erobern wollen. Daran hat sich nichts geändert.  

In all diesen schrecklichen Jahren haben Russland, China und auch Iran das von den USA strangulierte Venezuela mit Millionenbeträgen als Kredite für künftige Öllieferungen über Wasser gehalten. Ihre umfangreichen humanitären Hilfslieferungen retteten die Venezolaner über die kritischen Zeiten hinweg, zuletzt auch in der COVID-19-Pandemie.

Venezuela wird versuchen, zumindest ein strategisches Gleichgewicht zwischen den Supermächten in Lateinamerika zu begünstigen. Das liegt nicht nur im eigenen Interesse des Landes, sondern ist eine Bedingung für die Stabilität der ganzen Region. Niemand will in den berüchtigten Status des "Hinterhofs" der USA zurückfallen, niemand will erneut unter US-hörigen Diktaturen leiden wie zu den Zeiten der ausschließlichen US-Dominanz in Latein- und Südamerika. Doch vor allem will und muss Lateinamerika heute die Wirtschaftsbeziehungen zu China und Russland aufrechterhalten und ausbauen.

Venezuela wird sich wahrscheinlich in diesem Rahmen bemühen, zunächst einfach seine früheren Aktivitäten im Ölsektor der USA wiederherzustellen. Seine zerstörten Förderkapazitäten brauchen Zeit für eine Rekonstruktion.

Schadet oder nützt dies Russland? Verbesserte Einnahmen Venezuelas würden den Karibikstaat befähigen, seine Schulden an Russland und China zurückzuzahlen. Damit könnte von dieser Seite ein gewisser Ausgleich für Exportverluste wieder nach Russland zurückfließen. Laut BBC macht der russische Öl-Export in die USA allerdings nur acht Prozent der gesamten US-Käufe von Rohöl und raffinierten Produkten aus, weswegen der Preisanstieg in den USA derzeit "nur" 37 Prozent beträgt, in Europa dagegen 140 Prozent.

Die Situation Venezuelas im Rahmen der gegenwärtigen Ost-West-Konfrontation könnte es dem Land zusätzlich ermöglichen, Öllieferungen an die USA auch seinerseits mit Bedingungen zu verknüpfen. Da wäre zumindest die Forderung nach einem Ende des US-amerikanischen Embargos gegen Kuba vorrangig.

Andererseits wollen Venezuela und Kuba sicherlich vermeiden, aufgrund ihrer geostrategischen Position in der Nähe der USA in ein kriegerisches Szenario hineingezogen zu werden. Es liegt in ihrem ureigenen Interesse, dass der Krieg in der Ukraine so schnell wie möglich mit einem Ergebnis endet, das eine langfristige Stabilität vor den Grenzen Russlands herstellt.

Die Erklärung von Nicolás Maduro vom 10. März lässt durchblicken, dass sich Venezuela  seiner neuen Möglichkeiten bewusst ist:

"Wir bemühen uns um den Frieden in unserem Land, in Lateinamerika und in der ganzen Welt. Venezuela spielt eine große Rolle in der Geopolitik, sein Wort hat Gewicht und wird beachtet", so Maduro.

Noch kurz zuvor hatte die Vizepräsidentin Delcy Rodríguez jeglichen Zweifel an der politischen Position Venezuelas ausgeräumt:

"Die venezolanische Regierung bedauert den Bruch der Minsker Abkommen durch die von den USA geführte Organisation des Nordatlantikvertrags (NATO), die sich hin an die russischen Grenzen ausdehnt", und weiter

"Den Vertrag nicht zu erfüllen, verstößt gegen das Völkerrecht. Das stellt eine Bedrohung für die territoriale Integrität und Souveränität Russlands dar und verhindert die guten Beziehungen zwischen den Nachbarländern", erklärte Vizepräsidentin Delcy Rodriguez.

Veränderungen für die Innenpolitik Venezuelas.

Die US-Kommission wurde von Juan González geleitet, dem Repräsentanten des Weißen Hauses für Amerika-Angelegenheiten. Damit bringt die Biden-Regierung zum Ausdruck, dass sie die Präsidentschaft von Nicolás Maduro "de-facto" anerkennt, was Washington seit den letzten Wahlen 2019 verweigert hatte.

Die Verhandlung findet nun direkt zwischen den beiden Amtssitzen im Weißen Haus und Miraflores-Palast statt.

Der künstlich aufgebaute "Parallel-Machthaber" Juan Guaidó spielt auf diesem Schachbrett keine Rolle mehr. Der Schritt könnte ein mögliches Ende der radikalen Führer der "Interims-Regierung" bedeuten. Die USA könnten einen Ersatz für diese verbrauchte Mannschaft suchen und die Entstehung einer eher gemäßigten Opposition tolerieren. Letztlich hat ihr bisheriges Modell in Venezuela versagt.  

Maduro rief gleich nach dem Treffen in Venezuela zu einem neuen nationalen Dialog auf. Er spricht von einer "Neuformatierung" der Gespräche mit der Opposition. Ohne Zweifel hat ihm die Geste aus Washington innenpolitisch den Rücken gestärkt, zumal eine allmähliche Wiederherstellung des Landes am politischen und wirtschaftlichen Horizont erscheint. Selbst das in London widerrechtlich beschlagnahmte venezolanische Gold in Millionenhöhe könnte somit wieder freikommen. Dies hat unschätzbare Folgen für Venezuela, das in den letzten Jahren durch die Belagerungspolitik der USA von einer Hyperinflation und einer tiefen Wirtschaftskrise geprägt war.

Mehr zum Thema - Berichte: USA erwägen Erlaubnis für begrenzten Erdölhandel mit Venezuela zwecks Schuldentilgung

RT DE bemüht sich um ein breites Meinungsspektrum. Gastbeiträge und Meinungsartikel müssen nicht die Sichtweise der Redaktion widerspiegeln.

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