Europa

Warten auf die "Abrams" – Ein Bericht vom Panzerstützpunkt Donezk

Unterstützung der Infanterie, "Abarbeiten" gegnerischer Festungen, Duell mit gepanzerten Fahrzeugen und Flankenangriffe – Wie die Ereignisse der letzten Monate gezeigt haben, sind Panzer nach wie vor die Hauptschlagkraft der Bodentruppen. Ein gegnerisches Kampffahrzeug ist für beide Seiten ein vorrangiges Ziel, doch nicht immer gelingt die vollständige Zerstörung. RIA Nowosti berichtet darüber, wie in Donezk beschädigte Panzer wieder einsatzfähig gemacht werden.
Warten auf die "Abrams" – Ein Bericht vom Panzerstützpunkt DonezkQuelle: Sputnik © Министерство обороны РФ/РИА Новости

Von Andrei Koz

 "Abgefahrene Reifen"

Hinter einem hohen Zaun einer Industrieanlage in Donezk befindet sich ein Reparaturstützpunkt des Panzerbataillons der 1. Slawjansker Brigade im 1. Armeekorps.

Hierher kommt die in den Kämpfen um Awdejewka, Marinka und Ugledar beschädigte Ausrüstung. Die Intensität der Militäroperationen in Richtung Donezk hat in den letzten Wochen erheblich zugenommen, so dass die Soldaten des Reparaturdepots mit vollem Einsatz arbeiten, wie sie sagen. Sie liefern fast täglich gepanzerte "Aasfresser" ab. Und jeder einzelne braucht spezielle Aufmerksamkeit.

"Wir Menschen können alles aushalten, aber die Ausrüstung ist nicht so zuverlässig", sagt Alexander, Leiter des Reparaturdepots, bei einem Trophäen-T-64, der zum dritten Mal "technisch überholt" wurde. "Achten Sie auf die Raupenketten: Wenn man sie anschaut, kann man sich dabei rasieren, so blankpoliert sind die. Natürlich haben sie dann am Boden oder auf der Fahrbahn kaum Haftung. Das führt dazu, dass der Panzer ausbricht, genauso wie ein Pkw mit abgefahrenen Reifen. Das Tauwetter im Frühjahr steht vor der Tür. Die Fahrzeuge müssen gut vorbereitet sein."

Das Auswechseln der Ketten ist für die Wartungsteams anstrengend, aber alltäglich. Mit einem Vorschlaghammer wird einer der Bolzen herausgeschlagen, die die Stahlketten zusammenhalten. Der Fahrer lässt den Motor laufen, das Antriebsrad dreht sich, und die Kette löst sich Glied für Glied selbst von den Rollen. Mit Brechstangen ziehen die Mechaniker schließlich innerhalb von 15 bis 20 Minuten dem Panzer "wie so eine Mutter die Schuhe aus". Länger dauert es, später eine neue Kette zu montieren.

"Neben den Raupen sind es vor allem die Kanonenläufe, die sich abnutzen", erklärt Alexander. "Bei intensivem Schießen nutzen sie sich schnell ab und verlieren an Präzision. An Ersatzteile kommen wir auf unterschiedlichen Wegen. Die ukrainischen 'Partner' sind sehr hilfsbereit und stellen uns freundlicherweise ihre Ausrüstung zur Verfügung. Auf den Schlachtfeldern wird etwas aus den Fahrzeugen eingesammelt, die nicht repariert werden können, etwas wird von hinten geschickt. Kleinere Schäden werden direkt an der "Front" repariert. Die Trophäenpanzer werden "ausgenommen". Zuallererst entfernen wir das GPS-Modul, das dem Gegner die Koordinaten anzeigt. Wenn man das nicht macht, kommt er gleich angeflogen."

Jagdsaison

In der Reparaturbasis dienen ständig 10 bis 15 Mann, der Rest sind abgeordnete Kräfte. Die Panzer werden in Boxen repariert, überdacht nach allen Regeln der Tarnung.

"Man kann unser Gebiet nicht als Hinterland bezeichnen", sagt ein Mechaniker, der Kecha gerufen wird. "Der Feind jagt gezielt nach schweren gepanzerten Fahrzeugen. Panzer leiden nicht etwa besonders unter Panzerabwehrlenkraketen, Minen oder Artillerie, sondern unter Drohnen. Die 'Ukropy' setzen zunehmend große Drohnen des Typs 'Kaschan' [deutsch: Fledermaus] mit sechs Rotoren ein, die vier 82-mm-Minen oder Hohlladungsgranaten durch die Luft befördern."

Wir klettern auf einen ramponierten T-72, der teilweise mit einem weißen Tarnnetz abgedeckt ist. In der Luke und der Rückseite des Turms sind kleinere Löcher von höchstens drei bis vier Zentimetern Durchmesser zu sehen. Er sieht fast harmlos aus, aber nur auf den ersten Blick. Beim Durchdringen der Panzerung erzeugt das Hohlladungsgeschoss im Inneren des Panzers einen hohen Druck, der zu schweren Schäden bis hin zur Explosion der Munition führt. Der dynamische reaktive Schutz kann Schäden teilweise verhindern, deckt aber in der Regel nicht die gesamte obere Hemisphäre des Fahrzeugs ab.

Laut Kecha setzt die ukrainische Armee die "Fledermäuse" mit Bedacht ein. Die Drohne geht nachts auf Jagd und findet das Ziel mit der Wärmebildkamera. Jeder Panzer ist sehr heiß. Selbst wenn man den Motor abstellt, dauert es mindestens sechs Stunden, bis er abgekühlt ist. Die einzige Rettung ist, das Fahrzeug unter ein Dach zu stellen, aber meistens ist das natürlich nicht überall und nicht immer möglich.

"Westliche Panzerabwehrlenkwaffen vom Typ Javelin machen immer noch viel Ärger", fährt Kecha fort. "Sie schlagen auf dem Dach ein, wo die Panzerung nicht so dick ist. Es gab Fälle, in denen T-72 und T-64 mit einem einzigen Treffer zerstört wurden. Weder dynamischer Schutz noch auf den Turm geschweißte Hauben schützen uns. Die Fahrzeuge, die wir haben, überstehen mehr oder weniger sicher Treffer von RPG-7 [eine sowjetische Panzerbüchse], gegen Panzerabwehrlenkraketen haben nur die Neunziger [T-90M] eine Chance. Die sind besser gepanzert."

Berufliche Neugier

Alle Kämpfer in der Reparaturbasis sind ehemalige Panzerfahrer und kennen sich mit der Ausrüstung gut aus. Im Laufe des Jahres haben sie etwa hundert Panzer T-72- und T-64 wieder einsatzfähig gemacht. Diese nach Diesel riechenden Männer sind seltener die Helden im Fernsehen als etwa Fallschirmjäger, Marinesoldaten oder Flieger. Aber ihre Arbeit ist kaum zu überschätzen.

Übrigens wurden während des Großen Vaterländischen Krieges in der Roten Armee 430.000 Panzer und gepanzerte Selbstfahrlafetten der Artillerie repariert. Im Durchschnitt ging jedes von der sowjetischen Industrie hergestellte gepanzerte Fahrzeug mehr als viermal durch die Hände von Monteuren.

Wiederhergestellte Panzer und Selbstfahrlafetten waren die Hauptquelle, um die Verluste der Panzereinheiten auszugleichen. Diese hohe Leistung wurde durch den massiven Einsatz von Reparatur- und Wiederherstellungsbataillonen und mobilen Reparaturstützpunkten erreicht. Die moderne Ausrüstung ist jedoch viel komplexer.

"Das Schwierigste ist, den Motor auszutauschen, die Mechanik für das Drehen des Turms zu reparieren und an der Verkabelung und der Elektronik herumzufummeln", zählt ein Kämpfer vom Reparaturbataillon mit dem Spitznamen Bjely auf. "Sehr schwierig ist es mit einem Panzer, der auf eine Mine gefahren ist, wenn gleich mehrere Rollen beschädigt sind. Aber wir lernen dazu. Seit September bin ich für die militärische Sonderoperation mobilisiert. Ich stöbere gern in Technik herum. Sehr gerne würde ich in den westlichen Panzern stochern, um zu sehen, wie sie funktionieren. Und ich habe keine Zweifel, dass sie früher oder später zu uns kommen werden."

Als Antwort auf die Frage nach westlichen Panzern reagierten die Kämpfer der Reparaturbasis verträumt und ein wenig grinsend: "Ich wünschte, sie kämen früher!" Die NATO hat bereits gemeldet, dass die ersten Leopard 2 in der Ukraine sind. Die ukrainischen Streitkräfte werden sie auf jeden Fall in der Frühjahrs- und Sommeroffensive einsetzen.

"Im Gegensatz zu den schwer fassbaren HIMARS, die von weiter hinten operieren, ist der Panzer die Waffe der vordersten Linien. Die "Leopard", "Challenger" und "Abrams" werden unweigerlich Verluste durch das Feuer der russischen Truppen erleiden. Das bedeutet, dass die Monteure der 1. Slawjansker Brigade ihre berufliche Neugier bald voll befriedigen können."

Übersetzt aus dem Russischen, zuerst erschienen bei ria.ru am 14. März 2023

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